Where'd you go
Man sagt, die Zeit heilt Wunden. Aber das Narben bleiben, sagt natürlich niemand. Mama ist seit dem 06.02.2024 - 10 Jahre verstorben und doch fühlt sich das an manchen Tagen wie gestern an. "Wie kann man jemand so vermissen, der einem so geschadet hat?" fragt man sich und ich antworte darauf: "Es ist immer noch die Mama."
Ich war für sie verantwortlich. Im Grunde, hatten wir die Rollen getauscht. Ich war die Mama und sie das Kind. Ich habe darauf geachtet, dass sie was isst, schläft und keinen Blödsinn anstellt. Dafür habe ich meine Kindheit eingebüßt. Nur um sie am Leben zu halten. Wie oft habe ich mir gewünscht, einfach mal das Kind zu sein und nicht immer darauf zu achten, was sie macht. Da mein Vater es nicht eingesehen hat, bei der Erziehung mitzuwirken, blieb ich mit ihr allein.
Unzählige Verletzungen bis hin zu Rippenbrüchen musste ich bei ihr versorgen. Ohne jegliche medizinische Vorkenntnisse. Selbst bei den tiefsten Beleidigungen bin ich bei ihr geblieben - weil sonst keiner für sie da war. Das Paradoxe ist ja, dass ich meine Ausbildung als Altenpflegerin begonnen habe - nur für sie. Weil ich wusste, es pflegt sie keiner, da muss ich es eben tun. Und zu dieser Zeit, als ich die Ausbildung begonnen habe, hatten wir keinen Kontakt. Und dennoch hatte ich dieses Pflichtgefühl ihr gegenüber. Es war halt meine Mama. Und dieses eine Jahr was ich noch mit ihr hatte - wo sie nüchtern !! war - war irgendwie ein Traum. Ein Traum von dem ich mich nie wirklich erholt habe.
Vielleicht deswegen, weil sie dort eine Mutter war und ich das Kind. So wie es eigentlich hätte schon immer sein sollen. Tief im inneren wusste ich, dass sie nicht die war, die sie war im betrunkenen Zustand. Sie beschrieb ihren damaligen Zustand mit folgenden Worten: "Ich war da nicht ich selbst. Es war ein innerer Dämon, der mich im Griff hatte."
Meine Mutter war schon immer eine sehr stolze Person. Bis sie sich entschuldigt hatte, musste sonst was geschehen. Aber sie tat es. Von sich aus. Allein. Aus dem Herzen heraus. Ich weiß bis heute nicht, warum sie dem Alkohol so nahe stand. Ich meine, es muss doch einen oder mehrere Gründe gegeben haben. Nur welche?
Ich habe ihr noch soviel zu erzählen und doch ist sie nicht mehr..