Draußen vor der Tür

Dieses Lied habe ich für die Beerdigung meiner Mutter ausgesucht, da es eigentlich - nein, nicht eigentlich, es passt einfach. 

Mama und ich, wir hatten eher ein "spezielles" Verhältnis zueinander. Nicht dieses typische Mama-Tochter-Ding. Wie in einem anderen Blog-Eintrag, habe ich ja erzählt, dass die Rollen bei uns eher vertauscht waren. Ich, als Tochter habe die Mutterrolle übernommen und meine Mama war das Kind. Natürlich musste ich Dinge erledigen, wovon ich zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung hatte. Woher auch? Trotzdem habe ich diese erledigt, mit der Hoffnung, meiner Mama zu helfen.

Nach all den Strapazen, Ungerechtigkeiten und Konflikte zwischen Mama und mir - war ich mir dessen sehr bewusst, dass ich die Aufgabe haben werde, meine Mama eines Tages zu beerdigen. Und der Tag war da - der 21.02.2014 um 11.30 Uhr. 

Wieder möchte ich mit euch, ein Lied textlich "auseinander" zunehmen um den Bezug zu meiner Mama und mir zu zeigen. 

"Haben uns lang ignoriert und kaum noch akzeptiert,in dieser Zeit die für uns beide schwierig war.Warst so Gewalt, und ich so voller Hass,wir kamen jahrelang überhaupt nicht klar."

Zwischen 2005 und 2007 war der Punkt angekommen, wo wir uns eher als Feinde angesehen haben als Mutter und Tochter. Sie war gewalttätig mir gegenüber und ich habe sie dafür sehr gehasst. Ihr Wesen hat sich so sehr verändert, dass es mich nur noch angewidert hat und ich eigentlich mit ihr nichts mehr zutun haben wollte. 

2009 kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen ihr und mir. Ja, diesen Tag bereue ich bis heute noch. Ich kann es mir bis heute nicht verzeihen, was damals passiert ist. 2010 kam es dann zum totalen Kontaktabbruch meinerseits. Es war einfach nicht mehr tragbar.

"Ich wollte nie so sein wie du und wie du denkst.

Heut' merke ich immer wieder wie ähnlich ich dir bin.Zum Glück war's damals nicht zu spät,wir haben uns verziehen, der Wind hat sich gelegt."
 
Nein, ich wollte nie so sein wie meine Mama. Nie im Leben. Alles was sie tat, verabscheute ich. Aber in manchen Dingen bin ich ihr doch ähnlicher als ich es eigentlich wollte. Diese Ungeduld, unruhige und nervöse habe ich von ihr. Und auch teilweise das sture. Aber dieses hilfsbereite und das herzliche auch. 
Als ich damals 2013 wieder Kontakt zu ihr aufgenommen habe, war ich erst unsicher ob das wohl eine gute Idee gewesen ist. Man hat ja immer noch die Erinnerungen von früher im Kopf. Aber als ich sie im Krankenhaus besucht hatte, war mir klar das war richtig.

Okay, ich hatte ihr auch eine kleine Ansage gemacht und an dieser haben wir uns beide gehalten. Wir hatten uns wieder lieb. So ehrlich lieb, wisst ihr was ich meine? Sie war endlich die Mama und ich die Tochter. 
 
"Das ist alles so lange her,
so unendlich weit weg.


Doch es fällt mir nicht schwer,mich zu erinnern,
wie's beim letzten Mal war
als wir uns noch sahenda draußen vor der Tür."
 
Es sind jetzt 10 Jahre her, aber ich kann mich noch daran erinnern, als wäre es gestern gewesen. Das letzte mal als wir uns sahen, stand sie wirklich draußen vor der Tür. Dort haben wir uns verabschiedet - für immer und ich habe es einfach nicht geahnt, dass es "dieses" letzte mal war. Ich wünschte, sie stände heute noch da..

"Man sagt, und ich weiß jetzt, dass es stimmt,
dass es viele Freunde doch nur eine Mutter* gibt.und heute wo du weit weg bist,kann ich dich langsam so viel besser sehen."

*Textänderung, da es meine Mutter betrifft und nicht meinen Vater

Ja, es gibt nur eine Mutter. Du kannst noch so viele Freunde haben, aber eine Mutter hat man nur. Und jetzt wo sie nicht mehr ist, kann ich einige Dinge nachvollziehen, die für mich damals unvorstellbar gewesen sind. Wie zB dass Familienangehörige rücksichtslose A**** sind, die nur auf Profit aus sind. Wollte ich damals nie wahrhaben. Heute weiß ich, dass Mama damit recht hatte - leider. 
 
"So wie jetzt habe ich dich früher nie vermisst.Schritt für Schritt komm' ich zu dir zurück."
 
Früher habe ich sie nicht vermisst, aber heute umso mehr. 
Aber eines Tages werde ich auch mit ihr auf einer Wolke sitzen und mit ihr wieder reden können, dauert halt noch ein wenig. 
 
"Das ist alles so lange vorbei.Doch die Bilder dieser Zeit,
sie sind alle noch hier.Ein ganzes Jahr, ist eine halbe Ewigkeitund es ist Ewigkeiten her,
da draußen vor der Tür."
 
Ein ganzes Jahr hatte ich noch mi ihr. Der damalige Chefarzt aus dem Krankenhaus gab ihr nur noch zwei Jahre, aber letztendlich hatte sie nur noch eins gehabt. Ja, ich war so naiv und habe daran geglaubt, dass ich die wieder hochpeppeln könne, dass sie länger als nur zwei Jahre lebt. Aber dort wusste ich nicht, wie krank sie eigentlich schon war. Wie weit alles schon fortgeschritten gewesen ist. Vielleicht habe ich das Ganze auch verdrängt, dass ich es nicht wissen wollte. 
 
"Das ist alles so lange her,
so unendlich weit wegund ich habe kapiert,dass ich dich nie, niemals verliere - doch obwohl du mir bleibst,
fehlst du mir sehr."
 
Doch obwohl sie mir immer im Herzen bleibt, fehlt sie mir sehr. Sie ist halt nicht mehr "greifbar". An manchen Tagen möchte ich einfach von ihr umarmt werden. 

Zwei Textpassagen habe ich von der Trauerbegleitung im Form von einer Pfarrerin vorlesen lassen auf der Beerdigung. Es hat mich zerrissen. Es zerreißt mich heute noch. Doch eines kann ich mit klarem Gewissen sagen: Ich habe all ihre Wünsche, die sie im Bezug auf ihrer Beerdigung hatte, umgesetzt. Auch wenn es eine Art Kriegserklärung gegen manche Familienangehörigen gewesen ist, habe ich Mamas letzten Wunsch erfüllt.